Das Berliner Gymnasium, an dem unterrichtet habe, bekam seine Schüler aus über zehn Grundschulen „angeliefert“. Den Lehrkräften der Eingangsklassen (in Berlin ist das die 7. Klasse) war schnell klar, welche Grundschulen ihre Schüler gut auf die Oberschule vorbereitet haben und welche nicht. In Deutsch beherrschten einige Schüler schon Wortarten und Satzglieder, während andere diese Fachbegriffe noch nie gehört hatten. Auch beim Lesen gingen die Leistungen weit auseinander. Ich habe erlebt, dass (männliche) Schüler mich vor der Stunde baten, sie nicht laut vorlesen zu lassen, weil „sie das nicht können“. Sie wollten sich nicht vor ihren Mitschülern blamieren. Diese Unterschiede bestanden nicht nur – was inzwischen gesichertes Wissen ist – zwischen Schülern aus kulturell unterschiedlich geprägten Elternhäusern. Die Leistungen differierten nach der Grundschule, die die Schüler jeweils absolviert hatten. Man kann also den Schluss wagen, dass es Schulen gibt, die ihren Auftrag, die Kinder auf die weiterführenden Schulen vorzubereiten, ernst nehmen und dabei auch erfolgreich sind, und solche, die sich eher einer Laissez-faire-Pädagogik verschrieben haben. Weiterlesen
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Von Schulschwänzern, Helikopter-Eltern, Bildungsbürgern und Geschäftemachern
Der Leser wird sich fragen, was diese vier Begriffe miteinander zu tun haben. Eigentlich wenig. Einem Kommentator im Kulturradio im RBB ist es allerdings gelungen, die vier Vokabeln zusammenzurühren. Er heißt André Bochow und ist den Radiohörern in Berlin vor allem durch seinen Satirischen Wochenrückblick bekannt, der am Sonnabend gesendet wird. Schon in diesen satirischen drei Minuten zeigt sich des Kommentators starke linke Schlagseite, umso mehr in seinen Einlassungen in Kommentaren in voller Länge.
Beim Kommentar vom 04. 01. 2017 ging es um die Frage, warum Berlins Schulen den bundesweiten Rekord an Schulschwänzern aufweisen. Im letzten Schulhalbjahr 2015/2016 haben in den Klassen 7 bis 10 mehr als 2.000 Schüler über vier Wochen, manche oder sogar über acht Wochen lang, unentschuldigt gefehlt, weitere 2.300 Schüler schwänzten den Unterricht zwei bis vier Wochen. Rechnet man die Schwänzer in der Grundschule, die in dieser Statistik nicht erfasst sind, hinzu, kommt man auf eine riesige Zahl an Schulschwänzern an Berlins Schulen. Die Folgen sind bekannt: Die Schüler verlieren den Anschluss an den vermittelten Stoff, schreiben schlechte Klassenarbeiten, verlieren die Lust an der Schule ganz und bekommen zum Schluss keinen Schulabschluss. Weiterlesen
Rote Laterne für Berlin
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bildungswelten, 17. 11. 2016
Rote Laterne für Berlin
von Rainer Werner
Lernbüros, Stationenlernen, Freiarbeit und offener Unterricht gelten als schülerfreundliche Methoden – auf ihre Wirksamkeit überprüft wurden sie aber nie. Berlin praktiziert sie dennoch weiter und muss bei Leistungsvergleichen eine Niederlage nach der anderen einstecken.
Seit Jahren belegt das Land Berlin im bundesweiten Schulvergleich den letzten oder vorletzten Platz. In diesem Jahr haben gleich zwei Studien diese trostlose Platzierung am Ende der Länderskala bestätigt: die Studien des „Instituts der Deutschen Wirtschaft“ und des „Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“. Das Deprimierende dieser Befunde liegt darin, dass eine Besserung der Schulqualität nicht in Sicht ist. Teilweise haben sich die schulischen Leistungen sogar verschlechtert, wie die Erhöhung der Zahl der Schüler ohne Schulabschluss von 9% (2014) auf 11% (2015) zeigt.
Die neue Legislaturperiode des Berliner Abgeordnetenhauses und des Senats von Berlin bietet die Gelegenheit, endlich die Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um aus dem „Tal der Tränen“ herauszukommen. Dabei sollte der neue Senat das beherzigen, was der pädagogische Sachverstand für die Qualitätssteigerung einer Schule als besonders wirksam herausgefunden hat. In der Medizin gilt es als selbstverständlich, dass nur Therapien und Medikamente zur Anwendung kommen, deren Wirksamkeit eindeutig erwiesen ist. In der Pädagogik kann man oft den Eindruck gewinnen, dass das politisch Wünschenswerte an die Stelle dessen tritt, was wirklich Qualität verspricht. Weiterlesen