In den letzten drei Monaten mussten viele Eltern notgedrungen als Hilfslehrer der Nation fungieren. Ihre Kinder saßen zu Hause fest und erhielten – mehr oder weniger zuverlässig – von ihren Lehrern Aufgaben zugeschickt. Manchmal wurden sie auch in kleine Video-Konferenzen eingebunden. Man kann sich vorstellen, dass manche Eltern damit überfordert waren, sich neben ihrer beruflichen Tätigkeit im Homeoffice auch noch um die quengelnden Sprösslinge zu kümmern. Auch einige Journalisten scheinen damit schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. In Artikeln haben sie ihrer Frustration Luft gemacht. Im SPIEGEL schrieb ein Redakteur, „keine anderer Bereich unserer Gesellschaft [habe] in der Coronakrise annähernd so versagt wie das Schulsystem“. In der ZEIT forderte ein Autor „gewisse Minimalstandards“, die man von „Schulen beim Lernen erwarten dürfte“. Im Homeschooling ist sicher nicht alles rund gelaufen. Da es in den Bundesländern für die Schulen keine einheitlichen digitalen Standards gibt, blieb bei der digitalen Unterrichtsversorgung der Schüler vieles dem Zufall und dem persönlichen Engagement der Lehrkräfte überlassen. Mich ärgert allerdings der Zeitpunkt der harschen Schulkritik. Geht man als Journalist schulischen Mängeln nur auf den Grund, wenn man persönlich davon betroffen ist? Wenn spätestens nach den Sommerferien die Schulen aller Bundesländer wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, werden die Forderungen nach mehr Schulqualität wieder verstummen. Niemand wird sich dann noch um „Minimalstandards“ kümmern, die doch auch der Präsenzunterricht allzu selten erfüllt. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Schulstreik
Ist die Jugend rechtspopulistisch?
Gesellschaftliche Konflikte machen vor dem Schultor nicht Halt. Deshalb ist es sinnvoll, sie zum Gegenstand des Unterrichts zu machen. Bedenklich wird es, wenn Aktivisten unter den Schülern die freie Diskussion erschweren.
Am 15. Oktober 2019 wurden die Ergebnisse der 18. Shell-Jugendstudie vorgestellt. Schon bald konnte man in den Medien besorgte Kommentare lesen, die den Jugendlichen einen Rechtsruck unterstellten. „Populismus auf dem Pausenhof“ titelte ein Redakteur eines bekannten Nachrichtenmagazins. Was ist der Grund für diese Aufregung? 68 Prozent der befragten Jugendlichen hatten der Aussage zugestimmt, in Deutschland dürfe man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden. Ist dieses Ergebnis ein Beleg für die Anfälligkeit der Jugend für „rassistische Ausgrenzung und Verschwörungstheorien“, wie besagter Redakteur mutmaßt? Keineswegs! Ich habe in den letzten Jahren hautnah erleben können, wie sich der Streit über die gesellschaftlichen Großkonflikte Flüchtlinge und Klima im Unterricht am Gymnasium niederschlagen. Wenn Schüler Erfahrungen mit stigmatisierender Etikettierung machen, dann im Unterricht, und zwar durch ihre Mitschüler. Weiterlesen
Eingeordnet unter Jugendkultur, Mobbing, Neutralitätsgebot, Rolle des Lehrers, Schulstreik
Klima in der Schule
Veröffentlicht in der Zeitung DIE WELT vom 18. 07. 2019
Seit soziale und ökologische Bewegungen auch Gymnasien erfasst haben, müssen sich Lehrkräfte immer häufiger dafür rechtfertigen, dass sie Fakten vermitteln. Ist aufklärerisches Denken in der Schule in Gefahr?
Ein 18-jähriger Gymnasiast aus Köln rechtfertigt sich gegenüber dem Reporter eines Nachrichtenmagazins für seine Teilnahme an den Freitagsdemonstrationen der Klimaaktivisten mit den Worten: „Wieso sollte ich in die Schule gehen, wenn ich weiß, dass es in ein paar Jahrzehnten keine Schule mehr geben wird, wenn wir jetzt nicht auf die Straße gehen.“ – Die Motive seiner Mitstreiter klingen ähnlich: Die Welt geht unter, wenn wir uns jetzt nicht für das Klima ins Zeug legen. In Geografie und Biologie haben die Freitagsaktivisten solche Untergangsszenarien sicher nicht gelernt. Selbst die Umweltorganisation Greenpeace, nicht eben für Untertreibungen bekannt, kennt kein Klimamodell, das auch nur annähernd die Weltuntergangsängste der demonstrierenden Schüler rechtfertigen würde. Natürlich darf man im Meinungskampf übertreiben. Das haben Jugendbewegungen immer schon getan. Wenn aber von sieben etablierten Umweltorganisationen eben mal drei die krassen Forderungen der Klima-Jugend teilen, besteht die Gefahr, dass sich die Schüler durch ihren dystopischen Radikalismus selbst ins Abseits befördern. Die Öffentlichkeit wirkt an der quasireligiösen Überhöhung der Schülerbewegung fleißig mit. So hat Berlins katholischer Bischof Heiner Koch die Vorbildwirkung der schwedischen Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg mit der von Jesus Christus verglichen. Auch historische Parallelen drängen sich auf. Im Jahr 1212 brachen Tausende Kinder und Jugendliche zu einem Kreuzzug zur Befreiung des Heiligen Landes auf, weil fanatische Bischöfe der Meinung waren, nur „unschuldige“ Kinder könnten die Erlösung bringen. Kein einziges Kind kam damals ans Ziel. Weiterlesen
Eingeordnet unter Der richtige Umgang mit Schülern, Klimathematik in der Schule, Schulstreik, Unterrichtsinhalte