Veröffentlicht am 10. Febr. 2019 in der WELT AM SONNTAG
In einigen Bundesländern können an Grundschulen statt der Beurteilung von 1 bis 6 auch Berichtszeugnisse verfertigt werden. Kann und soll man die tiefe kulturelle Verankerung der Noten überwinden?
Noten gehören zur Schule wie der Bohrer zur Zahnarztpraxis und das Skalpell zum Operationssaal. So lautet die landläufige Meinung. Es gibt nur wenige Ausnahmen vom üblichen Ziffernzeugnis von 1 (sechs) bis 6 (ungenügend). In einigen Bundesländern ist es inzwischen den Grundschulen freigestellt, ob sie Noten- oder Berichtszeugnisse vergeben wollen. Schleswig-Holstein hatte als erstes Bundesland eine solche Regelung eingeführt. Die Resonanz der Grundschulen blieb jedoch hinter den Erwartungen der damaligen rot-grünen Regierung zurück. Nur 13,5 Prozent der Grundschulen nutzen die neue Entscheidungsfreiheit. Fragt man nach den Ursachen für das Beharrungsvermögen der Schulen, stößt man immer wieder auf das gleiche Argument: Die Eltern wünschen sich Zensuren, weil sie an ihnen am besten ablesen können, wo ihr Kind steht. Das wird vor allem in der vierten Klasse (in Berlin ist es die sechste) wichtig, weil dann die Entscheidung ansteht, auf welche weitergehende Schule das Kind gehen soll. In einigen Bundesländern ist der Zugang zum Gymnasium von einem guten Notenschnitt abhängig. Der ist aber an die Ziffern von 1 bis 6 gebunden. Weiterlesen