Veröffentlicht in: DIE WELT vom 17. 02. 2018
Unsere Schulen werden immer mehr mit gesellschaftlichen Aufgaben überfrachtet, die im Elternhaus besser aufgehoben wären. Sie sollten sich wieder mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrierten: guten Unterricht, die Schulung des Denkens und des Geistes.
Politiker aller Parteien werden nicht müde, Bildung als den Schlüssel zur Lösung all unserer Probleme anzupreisen. Um griffige Metaphern sind sie dabei nicht verlegen. Schulen sollen „Leuchttürme“ sein oder „Kathedralen“. Vielfältige Heilserwartungen knüpfen sich an unser Bildungssystem. Es soll die klugen Köpfe hervorbringen, die durch ihre Erfindungen unserem rohstoffarmen Land weiterhin Wohlstand sichern. Bildung soll als Fahrstuhl des sozialen Aufstiegs fungieren. Für die Bertelsmann-Stiftung – um Skandalsierungen nie verlegen – ist der Zusammenhalt unserer von sozialer Spaltung bedrohten Gesellschaft nur durch Bildung zu retten. Auch die Integration von Schülern mit Migrationsgeschichte könne nur durch Bildung gelingen. In der Aufladung von Bildung zum universellen Heilsbringer sieht der Philosoph Konrad Paul Liessmann eine „säkularisierte Religion“. Wer den Heilserwartungen keinen Glauben schenkt, weil er einen realistischen Blick auf das durch Bildung Leistbare hat, gelte als ketzerischer Ignorant. Da Schule alles können soll, wird der Bildungsprozess ständig mit gesellschaftlichen Anliegen überfrachtet: Verkehrserziehung müsse sein, damit die Kinder nicht Opfer im Straßenverkehr werden; Sexualaufklärung mit HIV-Prophylaxe sei ethisch geboten; sich in der Geschlechtervielfalt unserer Zeit auszukennen, könne auch nicht schaden; gesunde Ernährung? auch sie sei als Lernthema nützlich. All diese Themen gehen, da sie in die existierenden Fachlehrpläne eingefügt werden, zeitlich zu Lasten des Fachunterrichts. Außer den Lobbyverbänden hat niemand daran wirklich Freude. Den Lehrkräften bleibt der ideologische Background dieser Themen nicht verborgen. Kritiker sprechen von „Schulungskursen für Political Correctness“ (Norbert Bolz). Die meisten Schüler langweilen sich, weil sie das nötige Wissen schon im Elternhaus erworben haben. Weiterlesen